Vom Konzept zur Regierungsstrategie: "Bildung 2035" als Leitlinie des neuen Bildungsressorts

Anlässlich der Regierungserklärung vom 15. Mai 2025 erläutert Karin Prien die Neustrukturierung des Bildungsressorts, das nun mit dem Familienministerium zusammengelegt wurde. Bereits im erarbeiteten Konzept "Bessere Bildung 2035" nennt sie konkrete parteiübergreifende Impulse, um das Bildungssystem in Deutschland bis 2035 nachhaltig weiterzuentwickeln.

„Wir denken künftig ganzheitlich, beginnend bei der frühkindlichen Bildung in Familie und Kita, über die allgemeinbildenden Schulen und die außerschulische Bildung bis zur beruflichen Bildung und zum lebenslangen Lernen. Wir nehmen ganz besonders die Übergänge in den Blick. Und wir verstehen berufliche und akademische Bildung als gleichwertig.“ 
Karin Prien, Regierungserklärung, 15.05.2025 

Anlässlich der Regierungserklärung vom 15.05.2025 begründet die ehemalige Bildungsministerin von Schleswig-Holstein, Karin Prien, den neuen Zuschnitt des Ressorts für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Das Bundesbildungsressort wurde im Zuge des Koalitionsvertrags aus dem bisherigen Ministerium für Bildung und Forschung in das Familienressort integriert. Dass diese Neugliederung von der frisch ernannten Bildungsministerin selbst in den Koalitionsverhandlungen angestoßen wurde, überrascht kaum: Bereits im gemeinsam mit den Bildungsministerinnen aus Baden-Württemberg, Theresa Schopper, und Rheinland-Pfalz, Stefanie Hubig, entwickelten Konzept „Bessere Bildung 2035“ zeichnet Prien das Bild einer ganzheitlichen Bildung entlang der Bildungsbiografie mit Fokus auf frühkindlicher Bildung. Über Parteigrenzen und Länder hinweg präsentieren die drei Politikerinnen darin konkrete Impulse und Ziele, um das Bildungssystem in Deutschland bis 2035 nachhaltig weiterzuentwickeln. 

Zu den genannten Zielen gehören: 

  • Frühe Bildung (Verzahnung von Elementarbereich und Grundschule, abgestimmte Förderketten mit Evaluationskultur) 
  • Kompetenz- und Leistungsentwicklung (Potenzialausschöpfung bei allen Kindern und Jugendlichen durch Unterstützung in Kitas und Schulen) 
  • Bildungschancen für alle Lernenden unabhängig von ihrer Herkunft 
  • Schule als Lern- und Lebensort für gelingende Persönlichkeitsentwicklung 

In ihrem Beitrag "Zur Reform der Bildungssysteme in Deutschland: Was jetzt zu tun ist oder ‚what works best‘" entwirft Karin Prien ein ambitioniertes Bild der Rolle als Bundesbildungs- und Familienministerin, die sie jetzt selbst bekleidet – zwischen bildungspolitischer Vision und pragmatischem Reformwillen. Eine strategische Neuausrichtung der Bildungspolitik angesichts veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und einer zunehmend heterogenen Schülerschaft sei dabei oberste Priorität. Investitionen in die marode Bildungsinfrastruktur seien dringend notwendig. Dennoch betont Prien, dass strukturelle Verbesserungen vorrangig durch einen effektiveren Einsatz vorhandener Ressourcen erreicht werden müssten. Verwiesen wird auf den Bildungsforscher John Hattie, dessen Metastudie "Visible Learning: The Sequel" zeigt: Entscheidend ist nicht nur die Lehrkraft, sondern die Wirksamkeit aller Teilbereiche im Schulsystem. Dies erfordere eine einheitliche Zielklarheit. 

Zudem unterstreicht sie die Notwendigkeit, Kindertageseinrichtungen in Deutschland konsequent als frühkindliche Bildungseinrichtungen zu verstehen und deren pädagogische und integrative Bedeutung stärker anzuerkennen. "In der Kita werden Sprachdefizite schneller und einfacher behoben als in jedem anderen Lebensbereich. Kulturelle Integration und Hinführung zu Neugier und basalen Kompetenzen müssen als Vorbereitung auf die Schule in der Kita erfolgen." Sie fordert eine nationale Bildungsagenda für Kinder im Alter von 0 bis 10 Jahren, die unter anderem verbindliche Bildungspläne, ein gemeinsames Bildungsverständnis von Kita und Grundschule sowie eine bessere Kooperation zwischen Bildung und Hilfesystemen vorsieht. 

Darüber hinaus plädiert sie für ein kooperatives Miteinander im Bildungsföderalismus. Eine bundesländerübergreifende Bildungsagenda mit klaren Zielen soll die soziale Gerechtigkeit durch individuelle Förderung und datenbasierte Schulentwicklung stärken. Dabei steht ein langfristiger Kulturwandel im Vordergrund, der durch nachhaltige Schulentwicklung, multiprofessionelle Teams und größere Handlungsspielräume für Bildungseinrichtungen erreicht werden soll. "Bildungspolitik muss über Wahlperioden hinaus gedacht werden." 

Karin Prien hat als Vorsitzende der Arbeitsgruppe "Bildung, Forschung und Innovation" spürbare Akzente in der Bildungspolitik der neuen Koalition gesetzt. Maßnahmen wie die Neuausrichtung des Bildungsressorts, um Bildung ganzheitlich über jeden Lebensabschnitt hinaus begleiten zu können, die Wiederauflage des Startchancen-Programms sowie der Sprach-Kitas, um frühkindliche Bildung zu stärken, tragen deutlich ihre Handschrift und fanden Eingang in den Koalitionsvertrag. 

Mit dem Amtsantritt von Frau Prien als Familien- und Bildungsministerin übernimmt eine der Mitautorinnen eines umfassenden Konzepts eine Position, in der sie nun selbst die Möglichkeit hat, dieses in die Praxis umzusetzen. Inwieweit es Prien gelingen wird, den mit ihrer Strategie verbundenen Erwartungen dauerhaft gerecht zu werden, bleibt offen – zumal der angestrebte kooperative Bildungsföderalismus voraussetzt, dass Bund und Länder, trotz teils unterschiedlicher Vorstellungen und Befugnisse, konsensorientiert zusammenwirken und die neuen Impulse über die Legislaturperioden hinweg getragen werden. Damit ein ganzheitlicher Bildungsansatz gelingen kann, wird es zudem entscheidend sein, die gesamte Bildungskette ausgewogen und gleichwertig in den Blick zu nehmen. Von der frühkindlichen bis zur beruflichen Bildung und der Kompetenzerweiterung im Sinne lebenslangen Lernens.  

Den vollständigen Bericht hier nachlesen: 

Bessere Bildung 2035

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