Neue Möglichkeit zur "Feststellung und Bescheinigung der individuellen beruflichen Handlungsfähigkeit am Maßstab eines anerkannten Ausbildungsberufs" – Das Berufsbildungsvalidierungsgesetz

Das Bundeskabinett hat am 07.02.2024 das Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz (BVaDiG) beschlossen. Dieses soll nach einer Zustimmung des Bundesrates zum 01.08.2024 in Kraft treten.

Nachdem das Berufsbildungsgesetz (BBiG) bereits 2020 umfassend novelliert wurde, soll es nun unter anderem um die Feststellung der beruflichen Handlungsfähigkeit unabhängig von einem Berufsbildungsabschluss ergänzt werden.

Ziele der Neuerung sind:

  • die Würdigung von Berufsbiografien
  • ein leichterer Anschluss im Berufsbildungssystem für Menschen ohne Berufsabschluss
  • die Aktivierung aller Potenziale in Zeiten von Fachkräfteengpässen

Zentrales Element der Neuerung ist, dass in Zukunft Personen einen Antrag auf Prüfung einer vollständigen oder überwiegenden Vergleichbarkeit mit einem anerkannten Ausbildungsberuf[1] stellen können, die:

  • keinen formalen Ausbildungsabschluss besitzen
  • mindestens das Eineinhalbfache der vorgeschriebenen Ausbildungszeit in diesem Beruf gearbeitet haben
  • die notwendige Berufstätigkeit mindestens zur Hälfte im Inland absolviert haben
  • nicht bereits die Gleichwertigkeit nach dem Gesetz über die Feststellung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen (BQFG) bescheinigt bekommen haben (betrifft v.a. ausländische Berufsabschlüsse)

Prüfinstrumente werden an die jeweilige Prüfungsordnung des Ausbildungsberufs angelehnt, aber zielgruppenorientiert modifiziert (z. B. keine schriftliche Prüfung, bereits vorliegende Arbeitsergebnisse, inklusionsorientiert für Menschen mit Behinderungen).

Wenn lediglich eine „überwiegende Vergleichbarkeit“ festgestellt wird, wird ein detaillierter Ausweis der vorhandenen bzw. fehlenden Fertigkeiten erstellt. Es gibt eine klare Nachqualifizierungsperspektive mittels Teilqualifikationen. Hieran soll ein schlankes Ergänzungsverfahren zur „vollständigen Vergleichbarkeit“ anknüpfen.

Das Ergebnis führt allerdings nicht formal zu einem Ausbildungsabschluss. Hierfür ist weiterhin eine Abschluss- beziehungsweise Gesellenprüfung nötig. Allerdings können nicht mehr nur Menschen zur ersten beruflichen Fortbildungsstufe (also dem Bachelor Professional) zugelassen werden, die einen Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf haben, sondern auch solche mit einem Zeugnis der vollständigen Vergleichbarkeit der individuellen beruflichen Handlungsfähigkeit.

Es ist zu hoffen, dass das Gesetz dazu beiträgt, berufliche Erfahrungen zahlreicher Erwerbstätiger anzuerkennen, und damit hilft, Fachkräfteengpässen entgegenzutreten. Angesichts eines aufwändigen Verfahrens stellt sich die Frage: Wie stark werden die neuen Möglichkeiten tatsächlich genutzt werden? Und auf der anderen Seite: Könnte durch eine übermäßige Nutzung dieses Verfahrens das deutsche Ausbildungssystem an Wert verlieren?

Der gesamte Gesetzesentwurf der Bundesregierung kann hier eingesehen werden.


[1] Die Neuerung betrifft alle dualen Ausbildungsberufe nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) und der Handwerksordnung (HwO). Für schulische Ausbildungsberufe nach Landesrecht könnte nachfolgend von den einzelnen Landesregierungen eine ähnliche Regelung getroffen werden.

 

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