Bertelsmann-Studie gibt Überblick über Koalitionsversprechen und stellt der Regierung ein Zwischenzeugnis aus

Die Bertelsmann Stiftung hat in Zusammenarbeit mit der Universität Trier und dem Progressiven Zentrum (Berlin) eine Studie zur Bewertung der Regierungsarbeit veröffentlicht. Die Publikation trägt den Titel „Mehr Koalition wagen: Halbzeitbilanz der Ampel-Koalition zur Umsetzung des Koalitionsvertrages 2021“. Sie bietet unter anderem eine Übersicht über die einzelnen Vorhaben der Regierung und den gegenwärtigen Stand ihrer Umsetzung.

Die Autor*innen konzentrieren sich dabei auf „echte“ Regierungsversprechen; als solche definieren sie „konkret und nachprüfbar vereinbarte“ Projekte. Aus dem Vergleich des aktuellen Koalitionsvertrags von 2021 mit den Verträgen der Vorgängerregierungen (2009, 2013 und 2017) ergibt sich ein erster wesentlicher Befund: Im aktuellen Koalitionsvertrag sind deutlich mehr Versprechen als in den Vorgängerdokumenten enthalten. Mit insgesamt 453 Einzelversprechen enthält der Ampel-Vertrag rund 50 Prozent mehr Versprechen als der Vertrag der Vorgängerregierung, fast 75 Prozent mehr als der Koalitionsvertrag 2013 und nahezu 85 Prozent mehr als der Koalitionsvertrag 2009.

Diese vergleichsweise große Anzahl an Einzelvorhaben wird in der Studie akribisch in tabellarischer Form aufbereitet und nach ihrem Umsetzungsstand klassifiziert (vgl. S. 24 ff.). Bei der zusammenfassenden Analyse kommen die Autor*innen zu einem relativ positiven Urteil: Im Ergebnis wurden immerhin schon 38 Prozent der 453 Koalitionsversprechen vollständig oder teilweise eingelöst. Zwei Drittel der Regierungsprojekte aus dem Koalitionsvertrag wurden zumindest bereits angegangen.

Die Studie liefert zudem auch eine tabellarische Übersicht mit „Arbeitsnachweisen“ für die einzelnen Ressorts (vgl. S. 12). Dabei ergeben sich interessante Ergebnisse: Beispielweise hat das Arbeitsministerium gemäß den Autor*innen mit 58 Versprechen die zweitmeisten aller Ressorts eingebracht, und hiervon bereits auch 50 Prozent vollständig erfüllt. Das Bildungsministerium hingegen hat von seinen 29 Vorhaben bislang nur 24% voll umgesetzt.

Ein weiterer Schwerpunkt der Studie liegt in der Darstellung und Analyse der öffentlichen Wahrnehmung der Regierungsarbeit auf der Grundlage einer im Auftrag der Bertelsmann Stiftung vom Institut für Demoskopie Allensbach im Juli 2023 durchgeführten Umfrage. Vor dem Hintergrund der Analysen zum Stand der Umsetzung der Wahlversprechen auf der einen, der Ergebnisse der Umfrage auf der anderen Seite wird eine große Diskrepanz zwischen tatsächlicher Leistung der Koalition und ihrer öffentlichen Wahrnehmung konstatiert: Die Regierung, so die Autor*innen, ist besser als ihr Ruf.

Die Studie setzt interessante Akzente, leistet eine nützliche Übersicht und liefert hilfreiche Ansatzpunkte zur Bewertung der Arbeit der Koalition bzw. einzelner Bereiche und Verantwortlicher. So werden einerseits Erfolge, etwa die relativ rasche Umsetzung eines politischen Großprojekts wie dem Bürgergeldgesetz, deutlich. Dabei ist es dem Überblickscharakter der Studie geschuldet, dass die konkrete Form der Umsetzung (und die Frage, inwiefern sie dem Koalitionsvertrag bzw. den dort geweckten Hoffnungen im Einzelnen entspricht) nicht in den Blick gerät und in die Beurteilung einfließt.

Andererseits werden gerade bisherige Versäumnisse an entscheidender Stelle durch die Arbeit der Autor*innen klar ersichtlich: Zentrale bildungspolitische Versprechen etwa sind leider überhaupt noch nicht eingelöst (vgl. S. 38). So ist eine allgemeine Vergütung und Befreiung von Schulgeld in der vollzeitschulischen Ausbildung noch immer in weiter Ferne. Dadurch besteht insbesondere eine Unterfinanzierung der Ausbildung in Gesundheits- und Sozialberufen fort – mit entsprechenden Folgen für die Versorgung mit Fachkräften. Auch die geplante Beseitigung von Förderhemmnissen beim Aufstiegs-BAföG beispielsweise ist noch nicht in Angriff genommen worden.

Indem sie einen Überblick über derartige Versäumnisse liefert, stellt die Studie ein nützliches Instrument für die weitere kritische Begleitung der Regierungsarbeit durch eine informierte Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft dar. Die Studie wird hier zum Download bereitgestellt.

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